DJ Meeting Berlin
relaunch

Discotheken-Leben in den Berliner 80er
by Andy Stevens

Es war die Zeit in der die Musik anfing zu leben. Es wurden neue Instrumente entwickelt unter anderem die Maschinen von Roland TR-808 und später dann TR-909. Yamaha war mit dem DX-7 am Start und die Firma Fairlight CMI sorgte dafür das Trevor Horn und viele andere auf Erfolgskurs blieben. Es gibt in meinen Augen (und Ohren) kein Jahrzehnt wo mehr musikalisch experimentiert wurde als in den 80s. Das spiegelte sich natürlich auch in den Discotheken (heute nennt man sie Clubs) wieder. Während sich die Breakdancer an der TR-808 erfreuten, wurden die House-Music Fans mit der TR-909 beglückt.
Nun aber mal ein kleiner Rückblick zu den Läden, das Berlin (West) damals zu bieten hatte. In keiner anderen Stadt gab es eine solche Vielfalt, was natürlich auch die Touristen in die Stadt lockte. Eine Sperrstunde war für uns ein Fremdwort. Hier wurde getanzt, gekuschelt und getrunken bis in die frühen Morgenstunden. Ganz vorne weg natürlich der Kurfürstendamm.
Beginnen wir vorne in der Tauentzienstraße. Die erste Querstrasse ist die Nürnberger Strasse. Hier befand sich der von der Band Ideal besungene “Jungle”. Ein Laden der vor Prominenz strotzte. Allerdings sah es drinnen eher spartanisch aus. Den DJ hatte man gar nicht gesehen. Er legte hinter einer Wand auf. Sehr merkwürdig aber nun gut. Ein paar Meter weiter war das “Sugar Shack”. Ein Laden wo sich eher die etwas betuchtere Gesellschaft traf. Aber an sich war es ganz nett dort. Einmal im Monat wurden die Gäste mit einem Obst-Buffet beglückt. Eintritt war damals 5DM. Man sollte jedoch nicht zu gammelig dort erscheinen, sonst durfte man gleich den Rückweg antreten. Zurück zur Tauentzienstraße. Gleich neben dem bekannten Europacenter war die “Mini-City”. Hier gab es kleine Boutiquen, ein Kino und die Discothek “Yesterday”. Ein sehr heller und übersichtlicher Laden auf 500qm. Zwei Treppen runter und man stand vor der Kasse und der Garderobe. Dann durch die Tür und nach links. Ein langer Tresen lud schon mal zum ersten Drink ein. Eine weitere Rundbar gab es an der Tanzfläche, die sogar von unten beleuchtet war. Sehr geil zu der Zeit. Gespielt wurde alles was Hip war und den Gästen hatte es gefallen. Es gab sogar mal eine Sonderaktion. An einem Samstag hatte man seine 5 DM an Eintritt gezahlt und konnte trinken so viel man vertragen hat. “Eine feucht fröhliche Angelegenheit”. Am Europacenter gab es außen eine Treppe, die zum Twentyfive führte. Unser Mr. C. hatte dort für die musikalische Unterhaltung gesorgt. Der Laden war eher klein gehalten. Eine runde Bar war drinnen, eine Tanzfläche (logisch) und das DJ-Equipment wurde auf einer abgesägten Corvette aufgebaut. Ein Hingucker.
Da wir schon mal in dieser Ecke sind. Es war nicht weit zur Budapester Strasse. Hier gab es gleich zwei Läden in einem Block. Nämlich im “Bikini-Haus”. Hier befanden sich das Linientreu (Treppe runter) und das Ecstase (Treppe rauf). Während sich die Depesche Mode Fans den Sound im Linientreu gaben, tanzte man oben zu Hi-NRG Beats die ganze Nacht lang. Dieser Laden hatte mich gefesselt. Ich musste hier unbedingt auflegen, da man wirklich alles spielen konnte und die Tanzfläche blieb voll. Es war einer der wenigen Läden der 7 Tage die Woche gut gefüllt war. Auch das Equipment war einzigartig. Statt der üblichen Technics 1210ern lag man hier auf Technics SP-15 auf. Als Mixer diente eines der Firma Klotz. Die PA erinnerte eher an einen Selbstbau. Es gab einen Sub mit 2 15” Tieftönern und rund um die Tanzfläche verteilt waren kleine Kisten mit 5 Mittel-Hochtönern. Der Sound war aber genial. Später nannte man den Laden in “Society” um und es wurde umgebaut. War aber leider nicht mehr so schön. Es mutierte zum “Kommerzschuppen”. Aber zurück zum “Ku-Damm”. Die nächste Kreuzung war die Joachimstaler Strasse. Einmal links ca. 150m gelaufen und man stand wieder vor der Entscheidung: Nach oben oder nach unten? Unten das allbekannte Kudorf und oben das Level. Das Level wurde vom gleichen Besitzer wie das Sound betrieben. Jedoch ging es hier etwas softer ab. Geöffnet wurde um 19:00, Eintritt war 1 DM (bis 22:00 Uhr, dann 5 DM). Der Inhaber hatte so ziemlich das Gleiche wie im Sound gemacht. Es gab ein “Kino” wo man sich Videos ansehen konnte und einen Stand, wo jeder sein Tapedeck mitbringen konnte um die Musik mitzuschneiden. Bis ca. 23:00 wurde Dancemusic gespielt und dann ging es in die rockige Ecke. Zeit für mich zu gehen ;) Die Technik war für damalige Verhältnisse herausragend. TEAC Mischpult, 4 Technics 1210 MK II, eine riesige Plattensammlung und auf der Tanzfläche sorgten Klipsch Hörner für fetten Sound. Der Laden wurde sehr dunkel gehalten. Es gab jede Menge Kuschelecken. Auch hier wurde der Name mehrfach geändert. Aus “Level” wurde “Chaplins Garden” und zum Schluss dann “Sly”. Heute befindet sich in den Räumlichkeiten eine Polizeiwache.
Wieder zurück zum Ku-Damm. Gleich links war “Joes Biersalon (gegenüber das Café Kranzler). Joe war tagsüber eine Art Bar / Restaurant und abends eine Discothek. War nicht ganz meins, da hier so gut wie nur die Top 20 gespielt wurde. Ein kleines Stück weiter auf der anderen Straßenseite war das “Discoland”. Diesen Laden habe ich leider nie von innen gesehen, da er schon ende 1983 geschlossen wurde. Mr. C. feierte hier sein Debüt als DJ.
Wieder auf die andere Seite, ein paar Meter weiter gab es neben einem Chinesischen Restaurant das Candy. Eine so genannte “Popperdisco”. Hier verkehrten die “Vokuhilas” und die Träger einer Bundfaltenhose selbstverständlich gehörte auch die Lederkrawatte dazu. Man nannte den Laden sogar mal um in “98,7 KISS FM”. Ja genau wie die US-Radiostation. Nun ja…
Zwischen Uhland- und Knesebeckstrasse war das Kudammkarree (mittlerweile abgerissen). Gleich vorne waren das Theater am Kurfürstendamm und die Komödie. Wenn man rein ging, war rechts das “Flashpoint” was später in Flashdance umbenannt wurde. Es war einer der drei Läden vom “Griechen” (Big-Apple und Space waren zu der Zeit auch seine). Man konnte hin und wieder dort vorbeischauen, war jetzt aber nicht das absolute High-Lite”. Wenn man das Karree bis nach ganz hinten durchging stand man in einer Kneipenlandschaft. Hier war Laden an Laden. Verdurstet ist hier niemand.
Wenn man nun die Knesebeckstrasse überquert hat, stand man vor dem Ach so doll umworbenen “Big Eden”. Die einzige Disco in Berlin die sogar TV-Werbung hatte. Man warb mit Schauspielern die angeblich regelmäßig dort verkehrten. Keinen einzigen hatte ich je nur in der Nähe gesehen, aber Werbung ist nun mal alles. Ich gebe zu hier öfter verkehrt zu haben, allerdings nicht wegen der Musik, sondern wegen den Leuten. Man kannte sich und hatte immer jede Menge zu reden. Gespielt wurde Italo-Disco und jede Menge Dieter Bohlen Produktionen. Ganz, ganz schlimm. Es gab aber auch positives. Die PA hatte einen satten Sound und jeden Sonntag gab es zwei Getränke zum Preis von einem. Ein Stiefel Bier (1,5l) kostete 12DM. Ihr könnt euch denken wie unser Tisch aussah…
Weiter geradeaus kommt man zum Adenauer Platz. Hier war das “Zig-Zag” was kurze Zeit später in “Tolstefanz” umbenannt wurde. Für mich war es immer der Laden um vor dem Heimweg noch einen Absacker zu nehmen. Egal wie früh es war. Hier trafen sich Gäste, Nutten und Zuhälter am Tresen und man konnte den ganzen Abend entspannt noch mal Revue passieren lassen. Noch ein Stück weiter kam man zum “Far Out” ein Laden der unter dem damaligen Sektenführer Bhagwan betrieben wurde. So sah es drinnen auch aus. Ein riesiges Bild vom “Meister” hing an der Wand und die Leute trugen vorwiegend Rot (warum bloß…). Wem das zu seltsam war, der ging lieber ins Pal Joe. war gleich fast nebenan. Hier gab es nun vorwiegend Black-Music auf die Ohren. Ach ja ich habe was vergessen. Am Adenauer waren auch das “Chic” und das zweite “Twentyfive”.
So das war nur ein kleiner Ausblick was so in der City West abging. Mein Vater sagte damals “Wer sich in Berlin langweilt, kann nicht ganz dicht sein”. Damit hatte er Recht. Schaut man sich aber die Gegend heute an, kann man sich nicht mehr vorstellen, dass hier einst das Leben tobte.
Eins noch. So etwas wie “Türsteher” gab es zu dieser Zeit nicht. Lange Schlangen vor den Läden gab es auch nicht. Man ging hin und war drin. So muss das sein! Das wurde erst nach dem Fall der Mauer 1989 langsam eingeführt. Heute sind das Ausmaße die mich zum Heulen bringen. NIEMALS würde ich mich in so eine Schlange einreihen. Dazu ist mir die Zeit zu kostbar. Kein einziger Laden und sei er noch so gut ist mir das Wert.


reaction by Dr. Wamba:


Bei so vielen geilen Erinnerungen, muss ich auf diese Beschreibung einfach meinen Senf dazu geben. 

Kein vernünftiger Mensch ist ins Jungle gegangen, außer man brauchte Stoff. 

Sugar Shack, was für ein geiler Laden. Mein Gott bin ich da gern hingegangen, aber erst so morgens um tralala auf dem Nachhauseweg, da bestand das Obstbüffet nur noch aus Bananenschalen. 

Im Yesterday, eigentlich kein Laden für mich, aber die hatten auch abgefuckte Aktionen. einmal, wer das originellste Mitbringsel mitbringt bekommt einen tollen Preis. Gewonnen hatte einmal jemand, der einen Papagei im Käfig mitgebracht hatte und einmal....hat jemand seine Oma mitgebracht. Gewonnen - Hamma, oder?

Im twentyfive war ich nur einmal mit HMI-Leuten, unser Büro war schräg gegenüber. Dann fielen da auch mal Schüsse. Na ja, nicht mein Laden. 

Zu der Zeit war ich auch mal im Linientreu mit einem Mitarbeiter. Im Hochsommer sind wir da im Nadelstreifenanzug rein. hahahah. crossover und haben nur eine Selter getrunken. War lustig. Alles hat gekiekt. 

Joe's Biersalon hieß vorher noch anders, glaube Alt-Berliner Biersalon. Die hatten geile Gastro-Aktionen. Aber das war eben keine Disse. Einmal sind da Rose Royce live aufgetreten. Das war wirklich Perlen vor die Säue. Die Leute hatten keine Ahnung und nicht geschätzt wer da spielt. Ein Jammer. 

Big Eden, kein Berliner Discogänger, der was auf sich hält ist da hingegangen. Sorry, war so. 

Das Zig-Zag wurde eigentlich nicht umbenannt, sondern das Tolstefanz ist vom Lehniner Platz (vor dem Pal Joe) dorthin umgezogen. Und warum dort einer der Treffs für leichte Mädchen und schwere Jungs gewesen ist; die Besitzer waren die Jokisch Brüder. Mehr sag ich dazu nicht.  Das Einzugsgebiet dafür waren auch die Knesebeckstr. (Billard Laden 24 Stunden geöffnet!), die Sackgasse der Pariser Straße, etwas Stutti und der Bereich Uhland und Grolmannstraße - weisste Bescheid. 

Das Chic am Adenenauer war eigentlich ein Laden von Emilio, dem damaligen König des Berliner Nachtlebens. Viele denken heute noch es gehörte Sidney oder so. Egal. Emilio hat dann auch das Orpheo in der Marburger Straße aufgemacht, beim Schlemmerpylon und dem einzigen richtigen chinesischen Restaurant: Mings Garden. 

to be continued mr. stevens?








 
 
 
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